Donnerstag, 8. November 2007

Zurueck aus der Provinz

Wir sind seit ein paar Tagen zuerueck von einer Fahrt in die Provinzen. Jetzt hat es endlcih mal angefangen, nach ein bisschen Arbeit auszusehen. Immerhin haben wir unsere "Report Forms" jetzt mal zum Einsatz bringen koennen.
Und als wir zurueck waren, war ich auch zumindest mal einen Tag lang richtig gefordert, als es darum ging fuer NaMEP (die FGM-Dachorganisation, die gerade in der Gruendungsphase ist) ein 18-Monats-Budget fuer Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft fuer die GTZ zu erstellen.

In Kabala hatten wir dann auch ein kurzes Gespraech mit einer Ex-Haupt-Beschneiderin, was aeusserst spannend war, da damit mal ein paar Fragen die wir zum Thema hatten geklaert werden konnten. So ist es z.B. so, dass die beste Beschneiderin zur Chef-Beschneiderin gemacht wird, und dann nicht mehr arbeiten muss. Irgendwie ein seltsames System, das diejenige, die es am Besten kann nicht mehr arbeiten laesst... ist zwar jetzt meine Interpretation, aber irgendwie find ich klingt das schon, als ob der Job fuer die Beschneiderinnen auch eher eine Belastung ist.

Zumindest ist es jetzt inzwischen so, dass wir tatsaechlich mal wissen, was wir in naechster Zeit machen werden. Trotzdem ist eine gewisse Ernuechterung eingetreten in dem was ich jetzt weiss was wir erreichen koennen werden.
Je laenger ich in Sierra Leone bin, desto mehr faellt mir/uns auf, wie sehr die Probleme dieses Landes miteinander zusammenhaengen. Schlechte Strassen, kein Strom, schlechte medizinische Versorgung und schulische Bildung, Gewalt gegen Kinder, Schulgebuehren und schlechte wirtschaftliche Lage, Umweltprobleme, Secret Societies und Korruption,... irgendwie haengt das alles zusammen.

Ein Riesenfaktor dabei ist auch, dass die Gesellschaft einfach extrem hierarchisch gepraegt ist. Wer einen hoeheren Status hat, wird nicht hinterfragt, zumindest nicht offen. Das zeigt sich z.B. darin, dass es immer wieder ein paar Leute gibt, die als "Arbeitstiere" gehalten werden, und das Konzept erinnert sehr an Feudalismus/Leibeigenschaft. Genauso findet sich das auch in der unantastbaren Rolle der Chiefs in den Doerfern, oder auch der Priester und Imame.
Irgendwie ist die Situation halt schon einfach so, dass ich nicht wirklich weiss, wo man anfangen muesste, und dass wenn sich was aendert, man das Gefuehl hat, dass es dann doch wieder irgendwie zunichte gemacht wird.
Andererseits aber dann halt doch auch, dass im Vergleich zu dem was Beate und Rebekka (unsere Vorgaengerinnen) erzaehlt hatten, doch einiges geschehen ist...

Trotzdem muss ich sagen, dass ich fuer mich schon inzwischen den Sinn unseres Aufenthalts nicht mehr so ganz sehe. Also: fuer mich schon, fuer mich ist es eine bereichernde Erfahrung, aber ob ich hier irgendetwas bewegen koennte, selbst wenn ich laenger als nur die 3 Monate hier waere ist halt doch einfach fraglich.

Dazu kommt fuer mich auch noch, dass ich feststelle, dass ich anscheinend doch nicht genuegend Anpassungsfaehigkeit besitze, um mit der Situation hier umzugehen. Z.B. faellt es mir einfach extrem schwer in einem Bett mit 2 anderen Leuten ein Auge zuzumachen, und irgendwie ist mir diese andauernde Naehe der Leute (ob im direkten Kontakt oder via Handy) schon auch oft zu viel.
Irgendwie stell ich hier auch gerade mal wirklich fest, was der grosse Unterschied zwischen kollektivistischer und individualistischer Kultur ist - und ich gehoere anscheinend doch sehr eindeutig zu zweiterer. Das beste Beispiel dafuer ist, dass Ann-Marie, als sie uns ihre Schwester vorstellte, meinte, nachdem sie ja unsere Mama ist, ist Cumba automatisch unser Tantchen; alle unsere Probleme, Sorgen,... koennen wir ihr erzaehlen, wie wir sie ihr erzaehlen wuerden. Und ich stell halt einfach doch fest, dass ich einfach ein-zwei Tage brauche bis ich zu jemandem irgendeine Form von Beziehung aufbauen kann, Familienbande sind da doch irgendwie nicht genug Grund fuer sofortiges Vertraut-Fuehlen - was aber dann die Leute irgendwie nicht wirklich nachvollziehen koennen.

Ich muss auf jeden Fall sagen, dass ich mir inzwischen doch relativ sicher werde, dass meine persoenliche Zukunft wohl eher nicht in der direkten Entwicklungsarbeit sein wird... was mich auf jeden Fall auch irgendwie mit der Frage konfrontiert, was es denn dann sein wird.

Es gibt aber natuerlich schon auch immer wieder superschoene Momente, und es ist auch einfach ein wunderschoenes Land.
Was eine Sache ist, die ich hier absolut genial finde, ist die Reaktion von Kindern, wenn sie uns sehen. Es gibt irgendwie nur 3 Varianten: 1. die kritische (kritische Blicke, keine Antwort auf "Hallo"), meist erst bei Kindern ueber 6-7 Jahren, 2. die freudige ("white man! white man! white man!" mit Winken, Umarmen, Haende greifen und nicht loslassen, und 3. die eindeutig lustigste: ein paar Kinder laufen immer mal wieder heulend weg, und/oder verstecken sich hinter ihrer Mama. Irgendwie einfach ne lustige Reaktion *g*

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