Mittwoch, 22. Oktober 2008

Das lang versprochene Resumée

Also... irgendwie bin ich lange nicht zum Schreiben gekommen, bzw. hab ich erst meine Erfahrungen verarbeiten müssen, und dann war ich schon mitten in den Prüfungen, wo ich mehr Zeit vor den Büchern und in der Bib verbracht hab, als irgendetwas anderes.
Glücklicherweise isses jetzt rum, ich bin voller Magister Artium, hab die Hälfte von dem was ich gelernt hatte schon wieder vergessen und bin jetzt eigentlich gerade dabei aus meiner Wohnung auszuziehn. Denn schon in 6 Tagen geht es bei mir wieder hinaus in die Große Weite Welt.
Diesmal geht es nach Südost-Asien. Der Plan ist, so mehr oder weniger ohne Plan für 5-6 Monate herumzureisen. Dabei will ich auf jeden Fall nach Thailand, Kambodscha, Laos, Vietnam, Malaysia und Singapur. Wann ich wo hin werde weiß ich noch nicht so genau. Größtenteils will ich einfach nur reisen, aber wenn es mir irgendwo so gut gefallen sollte, dass ich dort bleiben will, kann ich mir auch gut vorstellen, zumindest für eine Zeit als Englisch-Lehrer oder was auch immer zu arbeiten.

Wer also meine kleine persönliche Odysee verfolgen will, kann einfach mal auf bridgetohome.wordpress.com gucken. Ich habe den Wechsel vorgenommen, weil man hier nur Kommentare hinterlassen kann, wenn man einen Google-Account hat, was, wie ich gehört habe, einige Leute davon abgehalten hat, irgendetwas zu schreiben.

Jetzt aber zurück zu Sierra Leone. Ich habe öfter vor meinen Notizen gesessen, und überlegt, was ich schreiben soll. Beziehungsweise, wie ich diese Geschichten in einen Post verpacken soll... irgendwie hängen einfach auch sehr viele Emotionen damit zusammen, die vielleicht noch ein bißchen Zeit brauchen, bis ich einen Weg finde, diese in Worte zu fassen.

Nur soviel noch kurz, das geplante Forum in Kuntoloh hat dann tatsächlich stattgefunden. Und es scheint ein einstweiliger Erfolg gewesen zu sein. Leider scheint im Nachhinein nicht besonders viel geschehen zu sein.
Allerdings ist dies auch einer der Fehler, den ich damals vielleicht gemacht hatte. Mein Fokus war immer zu sehr aufs "Große Ganze", so dass ich viel zu wenig die vielen kleinen Erfolge sehen konnte.
Alleine das Gespräch mit den Leuten von der Model Junction, die meinten dass ich der erste Weiße sei, der sich für sie interessiert, und ich ihnen erzählen konnte, dass es einfach für mich so war, dass egal wo ich war, sich die Leute mit mir unterhalten wollten. Dass die meisten dieser Leute, die an ihnen vorbeifahren, sehr wohl ein Interesse an ihnen haben, aber einfach nicht die Zeit mit jedem einzelnen zu sprechen.
Es waren viele kleinere Erfolge, die ich irgendwie erst zu schätzen gelernt habe, als ich meinen Bericht für ASA verfasst habe, und gemerkt habe, wie viele es dann doch waren.

In der Zwischenzeit habe ich auch zusammen mit Robin - einem ASAten, der in Uganda war - einen Vortrag gehalten, der unsere Erfahrungen verarbeitet hat.
Vielleicht stellen wir irgendwann davon noch ein Video auf youtube.
Einstweilen denke ich aber, dass mein Text über Sierra Leone ein ganz guter Abschluß für diesen Post ist.

Ich kam mitten in der Nacht in Lunghi an, in der Nähe von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones. Unser Flug hatte einen Zwischenstop in Conakry, Guinea eingelegt. Und während ich mir dort von oben die Lichter der Stadt ansehen konnte, fiel mir bei der Landung in Lunghi auf, dass fast nirgendwo Lichter zu sehen waren. Bei Ankunft wurde ich von vielen Menschen umringt, die alle wollten, dass ich mit ihnen in die Stadt fahre. Die Fähre über den Fluß nach Freetown war auch etwas voller, als sie es bei uns wäre, ebenso wie die Lastwägen, Taxis und Busse. Ich kaufte mir mein erstes Bündel Bananen, das wirklich herrlich schmeckte und freute mich meines Lebens, in Afrika zu sein. Irgendwie war schon alles anders, farbenfroher, wuseliger, spannender. Diese Erfahrung der Andersartigkeit war allerdings nicht nur einseitig. Ständig wurde ich auf der Straße angesprochen, von Leuten, die meine „Freunde“ sein wollten. Kinder umringten mich und nahmen meine Hand, einfach nur um ein paar hundert Meter mit mir mit zu gehen. Ein ungefähr dreijähriges Mädchen, das minutenlang die Haare an meinem Arm gezupft hatte – was für viele Kinder äußerst interessant war – sagte zu seiner Mutter „Mama, den will ich haben“. Ich musste also feststellen, auch ich bin anders für „sie“.

Ich hatte nicht nur mit meinen eigenen Vorurteilen zu kämpfen, sondern begegnete auch immer wieder Vorurteilen von Seiten der Sierra Leoner. Wussten Sie schon, dass wir Europäer alle immer nur in Restaurants essen, alle nicht kochen können, jeder von uns Hausmädchen hat,und dass europäische Frauen ganz besonders leicht zu haben sind? Und auch das Verhalten mancher Sierra Leoner ließ mich oft vermuten, dass sie in mir keinen Menschen, sondern einfach einen wandelnden Geldsack sahen. Dann gab es wieder andere, die mich ansprachen, während ich mir auf dem Markt etwas zu essen kaufte, und mir dafür dankten, dass ich dort sei, ohne jemals zu fragen, was ich eigentlich hier mache. Und es gab Menschen, die tatsächliche Freunde wurden.
Auch das Essen war anders: sehr viel Reis mit verschiedensten Blättersoßen. Vor allem aber war es billiger, und was mich dabei besonders faszinierte, war, dass sich die Preisunterschiede zwischen verschiedenen Waren ungefähr auf dem selben Niveau bewegten wie bei uns, bloß mit dem Unterschied dass Viele an einem Tag nur das Geld für 3 Busfahrten verdienen.

Das alles führte für mich zu einer Frage, die mich während meines Aufenthaltes dort, und auch in der Zeit danach noch beschäftigen sollte: Warum eigentlich ist das Geld hier mehr wert als dort? Ist eine Stunde körperlicher Arbeit nicht dieselbe Leistung, unabhängig davon, wo auf der Welt sie erbracht wird? Ist ein Brötchen hier nicht genauso ein Brötchen dort? Wie kann ich Leuten erklären, dass ich nur ein einfacher Student bin, aber mir trotzdem weitaus mehr leisten kann, als jemand der dort jeden Tag zwölf Stunden schuftet, obwohl ich in Europa bei weitem nicht zu den Reichsten gezählt werden würde? Sind wir wirklich so anders, dass unserer Hände Arbeit nicht das gleiche wert ist? Und das alles führte zu weiteren Fragen: Wie würde ich mich verhalten, wenn die Situation für mich so ähnlich wäre, wenn ich jeden Tag sehen müsste, wie ich meine Familie über die Runden bringe? Würde ich nicht auch jede Möglichkeit nutzen, mein Leben zu verbessern? Ich erinnerte mich an die Geschichten meines Vaters: Wie er als Kind der Nachkriegszeit bei den Amerikanern Zigaretten abzustauben versucht hatte – die dann meine Großmutter auf dem Schwarzmarkt eintauschen konnte. Ich stellte fest, dass die ganzen Unterschiede, die ich gesehen hatte nur an der Oberfläche kratzen. Es waren Menschen wie ich, mit denen ich dort zu tun hatte, mit denselben Bedürfnissen und Sorgen wie ich. Menschen, die davon träumen, sich mit ihrer Hände Arbeit ein sorgenfreies Leben schaffen zu können. Die verlangen, dass man ihnen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet. Die genauso gerne feiern und für ein Schwätzchen auf der Straße stehen bleiben. Und die sich genauso um ihre Kinder und ihre Familie sorgen, wenn diese krank sind, wie es Eltern hier tun. Die Unterschiede, die ich zwischen ihnen und mir gesehen hatte, lagen hauptsächlich im Einkommen und in den persönlichen Freiheiten und Möglichkeiten. Nicht selten fand ich mich in Erklärungsnöten. Wenn man mich heute fragt, wie ich meine Zeit dort fand, dann sage ich meistens „anstrengend“, und das bezieht sich bei weitem nicht nur auf das Wetter.


Ich möchte zum Schluß einfach nochmal kurz jedem danken, der meine Posts tatsächlich gelesen hat. Und vor allem denen, die sogar diesen hier noch lesen :P
Würde mich freuen nochmal was von euch zu hören. Ihr könnt ja vielleicht im neuen Blog einen kurzen Kommentar hinterlassen ;)

Montag, 10. Dezember 2007

Gratwanderungen und andere Schwierigkeiten

Ab und zu ist es so, dass ich doch eher vergesse, dass ich mich in einem Land befinde, das erst vor 5 Jahren einen ueber 10 Jahre andauernden Krieg beendet hat, der als einer der grausamsten Buergerkriege gilt. Und dann laufe ich ueber den Markt, hoere eins der ueblichen "Hello sir, how are you?", drehe mich den Gruss erwidernd zur Seite, und sehe eine Frau auf dem Boden sitzen, die Kruecken neben ihr, und eines ihrer Beine endet mitten im Oberschenkel. Es ist zwar, wie ich schon mal geschrieben hatte, seltener, als ich es eigentlich erwartet haette, aber gerade in so Momenten reisst es mich doch einfach immer wieder.

Das Treffen in Lumley hat inzwischen stattgefunden. Es ist zwar leider nicht ganz nach Plan gelaufen, vor allem weil der Ort sehr kurzfristig geaendert wurde (was ich leider nicht richtig mitgekriegt hatte), und am alten Ort niemand postiert wurde, um bescheid zu sagen, so dass viele der geladenen Gaeste wieder gefahren sind. Ein kleiner Erfolg der Veranstaltung war aber dann doch, dass die Projektmanagerin der GTZ den ehemaligen Beschneiderinnen von Lumley eine alternative Einkommensquelle versprochen hat. Diese Frauen warten zum Teil schon seit knapp 2 Jahren darauf, waehrend neuere Projekte schon ihre Produktionsmittel haben. Problematisch an dem Versprechen war nur auch wieder die zu direkte Formulierung, die, wie wir inzwischen festgestellt haben, sehr schnell zu hohen Erwartungen fuehrt, die aber meistens wegen verschiedenster buerokratischer Hindernisse nicht so schnell erfuellt werden koennen, wie das von den Leuten erwartet wird. Das fuehrt natuerlich auch schnell zu grosser Enttaeuschung auf Seiten der Sierraleoner.
Es ist ein bisschen so, als ob die Leute erwarten, da kommen ein paar Weisse und schwuppsdiwupps ist ihr Leben besser. Das Bedingungen an die Hilfsleistungen geknuepft sind, und dass auch Europaer nicht unendlich Geld zur Verfuegung haben ist den meisten nur schwer zu vermitteln.

Das zweite genannte ist auch eines der Probleme, denen wir auch taeglich begegnen. Manchmal beschwert sich die Verkaeuferin oder Kellnerin, dass man sie nicht auf was einlaedt, mal die direkten Nachbarn. Es ist irgendwie immer eine Gratwanderung, weil es ja nun eigentlich schon so ist, dass wir im Vergleich wirklich viel Geld haben, aber jeden andauernd, oder auch nur ab und zu einzuladen dem es schlechter geht als mir wuerde mich innerhalb kuerzester Zeit relativ mittellos dastehen lassen - vor allem da ich alles Geld was ich hier habe in bar mitnehmen musste, VISA,... is nich.

Dass das Leben in Europa auch mehr Geld kostet ist so als Idee auch nicht wirklich vorhanden. Das was die Leute uns so erzaehlen - sie erzaehlen, sie fragen nicht, denn Europa ist ja einfach so - geht so in Richtung dass es in Europa niemanden gibt, dem es schlecht geht, wir alle grundsaetzlich nur in Restaurants essen, jeder zur Uni gehen kann,...
Und auf die Frage ob sie denn die reichen Sierra Leoner - die mit den dicken Autos rumfahren und sichs wirklich krass anmerken lassen, dass es ihnen gut geht - genauso fragen wuerden, ob sie ihnen dieses oder jenes kaufen/schenken/whatever... erweckt meistens nur grosse Verwirrung.

Aber waehrend die einen Taxi-Fahrer uns oft nicht mal fuer den doppelten Normalpreis mitnehmen wollen, gibt es auch ab und zu Leute, die einen fuer umsonst mitnehmen, einfach weil sie es nett finden, sich mal mit einem Europaer unterhalten zu koennen. Bei manchen Einladungen ist es aber auch schon wieder schwierig anzunehmen... Wie gesagt, einfach immer Gratwanderung...

Freitag, 9. November 2007

kurze Zwischenmeldung

Soderle, nachdem es jetzt doch auch mal wieder gute 3 Wochen her ist, mal eine kurze Meldung was in letzter Zeit so passiert ist.

Das Training, das ich eigentlich vorhatte, hat natuerlich nicht funktioniert, weil wieder andere "unvorhersehbare" Sachen (Presidential Inauguration Day) dazwischen gekommen sind. Aber vielleicht geht es ja doch noch hin...

Sibylle und ich haben inzwischen den Fokus relativ stark auf Kuntoloh gelegt, wo Sibylle in der Zeit als ich das Training machen sollte, ein paar Tage mit den Leuten gelebt hat. Das ist der Ort, an dem die Geschichte mit dem Maedchen, das beschnitten werden sollte, passiert ist.
Unser Ziel ist, dort ein "Forum" durchzufuehren; das bedeutet, eine Veranstaltung mit 50 key players der Gemeinschaft, die in einem eintaegigen Gespraech ueberzeugt werden sollen, dass ihnen die Praxis der Frauenbeschneidung in extrem vielen Punkten Schaden zufuegt. Dabei geht es dann um Themen wie Traditionen an sich, gesundheitliche Aspekte, AIDS, Menschenrechte, Religion,...
Damit zusammenhaengend werden dann auch kleinere Entwicklungsprojekte vergeben, sollte sich die Community dazu entscheiden, die Praxis aufzugeben. Es gibt dabei verschiedenste Vorgehensweisen, was u.a. daran liegt, dass das jetzt gerade erst angefangen hat und deswegen auch der Erfolg noch getestet werden muss. Ich seh das selber auch teilweise recht kritisch, Geld/Gueter zu geben, dafuer, dass sie etwas aufgeben, was ihnen schadet, aber ok... machen wir mal mit...

Noch so ein Forum soll dann in Makeni stattfinden, und dann ist eine weitere Sache, die wir mit vorbereiten ein Treffen mit lokalen Politikern und den Botschaftern mehrerer Laender, sowie Chiefs und ehemalige Beschneiderinnen,....
(womit ich hoffentlich jetzt auch Kathis Frage beantwortet hab ;) )

Als wir das letzte Mal in Kuntoloh waren, haben wir einen Polizei-Einsatz mitbekommen, der gegen den Protest an einer Schule gerichtet war, die unrechtmaessig verkauft worden war. Die Polizei ist dabei nicht unbedingt deeskalierend aufgetreten, hat sehr bald Traenengas eingesetzt, und irgendwann ist auch scharf geschossen worden. Das Geruecht von dem toten Lehrer hat sich im Nachhinein aber dann doch als unwahr rausgestellt.
Insgesamt hat man aber dann doch auch gemerkt, dass die Kriegserfahrung den Leuten noch gewaltig in den Knochen sitzt. Als wir dann auf dem Rueckweg auf dem Markt ein paar Sachen einkaufen wollten, waere ich fast in einer Massenpanik ueberrannt worden, obwohl die Polizeiaktion an sich schon lange vorbei war. Was die Ursache dafuer war, keine Ahnung...

Die Regenzeit haette inzwischen eigentlich auch zu Ende sein sollen, aber obwohl der Harmattan (kalter Wuestenwind aus der Sahara, der in der ersten Woche die Luft total weiss faerbt) schon vor 3-4 Wochen eingesetzt hat, regnet es noch immer mal wieder an einem Tag 2-3x. Aber naja... uebers Wetter insgesamt sollte ich mich wohl trotzdem eher nicht beschweren ;)

Ansonsten gibt es eigentlich nicht so wahnsinnig viel zu berichten, ausser, dass ich wie viele Biere ich seit ich hier bin getrunken hab, noch immer mit meinen Haenden zaehlen kann, weil wir echt seltenst ausgehen... irgendwie bin ich immer voll frueh muede (meist schon so gegen 9) und geh dann auch meistens relativ bald ins Bett... mein Vater waer stolz auf mich. Haett ich auch nicht gedacht, dass ich irgendwann in meinem Leben nochmal mehrmals 3 Tage in Folge frueher als 10 ins Bett gehen wuerde...

So ungefaehr 3 Wochen sinds noch, dann gehts nach Hause, und irgendwie freu ich mich sogar doch schon auch auf Schnee und kaltes Wetter, dicke Kleidung, dicke Wolldecken, Aufwaermen von der Kaelte draussen.... und vor allem LEBKUCHEN!!! Die paar die ich dabei hatte hab ich halt doch eher fuer die Leute hier mitgenommen...

Also denn, machts gut, vielleicht komm ich ja sogar doch noch dazu, nochmal vor Abreise was kurzes zu schreiben.


P.S. Wenn jemand ne Idee hat wie man auf halbwegs menschenwuerdige Weise bettelnde Kinder loswird, ich waer ihm/ihr sehr dankbar... ich fuehl mich dabei irgendwie immer voll schlecht...

Donnerstag, 8. November 2007

Zurueck aus der Provinz

Wir sind seit ein paar Tagen zuerueck von einer Fahrt in die Provinzen. Jetzt hat es endlcih mal angefangen, nach ein bisschen Arbeit auszusehen. Immerhin haben wir unsere "Report Forms" jetzt mal zum Einsatz bringen koennen.
Und als wir zurueck waren, war ich auch zumindest mal einen Tag lang richtig gefordert, als es darum ging fuer NaMEP (die FGM-Dachorganisation, die gerade in der Gruendungsphase ist) ein 18-Monats-Budget fuer Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft fuer die GTZ zu erstellen.

In Kabala hatten wir dann auch ein kurzes Gespraech mit einer Ex-Haupt-Beschneiderin, was aeusserst spannend war, da damit mal ein paar Fragen die wir zum Thema hatten geklaert werden konnten. So ist es z.B. so, dass die beste Beschneiderin zur Chef-Beschneiderin gemacht wird, und dann nicht mehr arbeiten muss. Irgendwie ein seltsames System, das diejenige, die es am Besten kann nicht mehr arbeiten laesst... ist zwar jetzt meine Interpretation, aber irgendwie find ich klingt das schon, als ob der Job fuer die Beschneiderinnen auch eher eine Belastung ist.

Zumindest ist es jetzt inzwischen so, dass wir tatsaechlich mal wissen, was wir in naechster Zeit machen werden. Trotzdem ist eine gewisse Ernuechterung eingetreten in dem was ich jetzt weiss was wir erreichen koennen werden.
Je laenger ich in Sierra Leone bin, desto mehr faellt mir/uns auf, wie sehr die Probleme dieses Landes miteinander zusammenhaengen. Schlechte Strassen, kein Strom, schlechte medizinische Versorgung und schulische Bildung, Gewalt gegen Kinder, Schulgebuehren und schlechte wirtschaftliche Lage, Umweltprobleme, Secret Societies und Korruption,... irgendwie haengt das alles zusammen.

Ein Riesenfaktor dabei ist auch, dass die Gesellschaft einfach extrem hierarchisch gepraegt ist. Wer einen hoeheren Status hat, wird nicht hinterfragt, zumindest nicht offen. Das zeigt sich z.B. darin, dass es immer wieder ein paar Leute gibt, die als "Arbeitstiere" gehalten werden, und das Konzept erinnert sehr an Feudalismus/Leibeigenschaft. Genauso findet sich das auch in der unantastbaren Rolle der Chiefs in den Doerfern, oder auch der Priester und Imame.
Irgendwie ist die Situation halt schon einfach so, dass ich nicht wirklich weiss, wo man anfangen muesste, und dass wenn sich was aendert, man das Gefuehl hat, dass es dann doch wieder irgendwie zunichte gemacht wird.
Andererseits aber dann halt doch auch, dass im Vergleich zu dem was Beate und Rebekka (unsere Vorgaengerinnen) erzaehlt hatten, doch einiges geschehen ist...

Trotzdem muss ich sagen, dass ich fuer mich schon inzwischen den Sinn unseres Aufenthalts nicht mehr so ganz sehe. Also: fuer mich schon, fuer mich ist es eine bereichernde Erfahrung, aber ob ich hier irgendetwas bewegen koennte, selbst wenn ich laenger als nur die 3 Monate hier waere ist halt doch einfach fraglich.

Dazu kommt fuer mich auch noch, dass ich feststelle, dass ich anscheinend doch nicht genuegend Anpassungsfaehigkeit besitze, um mit der Situation hier umzugehen. Z.B. faellt es mir einfach extrem schwer in einem Bett mit 2 anderen Leuten ein Auge zuzumachen, und irgendwie ist mir diese andauernde Naehe der Leute (ob im direkten Kontakt oder via Handy) schon auch oft zu viel.
Irgendwie stell ich hier auch gerade mal wirklich fest, was der grosse Unterschied zwischen kollektivistischer und individualistischer Kultur ist - und ich gehoere anscheinend doch sehr eindeutig zu zweiterer. Das beste Beispiel dafuer ist, dass Ann-Marie, als sie uns ihre Schwester vorstellte, meinte, nachdem sie ja unsere Mama ist, ist Cumba automatisch unser Tantchen; alle unsere Probleme, Sorgen,... koennen wir ihr erzaehlen, wie wir sie ihr erzaehlen wuerden. Und ich stell halt einfach doch fest, dass ich einfach ein-zwei Tage brauche bis ich zu jemandem irgendeine Form von Beziehung aufbauen kann, Familienbande sind da doch irgendwie nicht genug Grund fuer sofortiges Vertraut-Fuehlen - was aber dann die Leute irgendwie nicht wirklich nachvollziehen koennen.

Ich muss auf jeden Fall sagen, dass ich mir inzwischen doch relativ sicher werde, dass meine persoenliche Zukunft wohl eher nicht in der direkten Entwicklungsarbeit sein wird... was mich auf jeden Fall auch irgendwie mit der Frage konfrontiert, was es denn dann sein wird.

Es gibt aber natuerlich schon auch immer wieder superschoene Momente, und es ist auch einfach ein wunderschoenes Land.
Was eine Sache ist, die ich hier absolut genial finde, ist die Reaktion von Kindern, wenn sie uns sehen. Es gibt irgendwie nur 3 Varianten: 1. die kritische (kritische Blicke, keine Antwort auf "Hallo"), meist erst bei Kindern ueber 6-7 Jahren, 2. die freudige ("white man! white man! white man!" mit Winken, Umarmen, Haende greifen und nicht loslassen, und 3. die eindeutig lustigste: ein paar Kinder laufen immer mal wieder heulend weg, und/oder verstecken sich hinter ihrer Mama. Irgendwie einfach ne lustige Reaktion *g*

Mittwoch, 7. November 2007

Ich wusste es schon immer....

... dass Computer mich hassen! Grad im Moment sind mir im anderen Internet-Cafe sage und schreibe 3 PCs nacheinander abgestuerzt, die jeweils bei den Personen vorher noch wunderbar funktioniert hatten....

Naechsten Post werd ich dann jetzt wohl doch auch nicht mehr heute fertig kriegen, weil dieses Internet-Cafe in 10 Minuten zu macht....

Dienstag, 23. Oktober 2007

Erste Kontakte mit dem Themenbereich

Heute hatten wir den ersten Kontakt mit unserer (inzwischen tatsaechlichen) Thematik. Wir waren in der Kuntoloh Community, wo ein 19jaehriges Maedchen zwangsinitiiert (beschnitten) werden sollte, weil sie angeblich in den secret bush eingedrungen waere. Sie ist von KAWDA dann umgesiedelt worden, um der Beschneidung zu entgehen.
Im Prinzip ging es in den Gespraechen eigentlich nicht wirklich um irgendwas, da der Chief nicht da war, aber alleine das Auftreten der zwei Beschneiderinnen war absolut krass. Ewigst aggressiv, andauernd boese Blicke in Richtung Hannah, und so als ob sie von Gott persoenlich gesandt waeren. Eine von ihnen erklaerte dann auch, warum sie Beschneiderin geworden ist: und zwar weil ihre Grossmutter Beschneiderin war, und sie es dann uebernehmen sollte. Anfangs hatte sie sich zwar dagegen gestellt, aber als ihr mehrere Kinder starben, wurde ihr gesagt, das es mit dem Willen Gottes zusammenhaenge, da sie nicht Beschneiderin werden will. Und als sie sich dann fuegte ueberlebten alle Kinder, weswegen sie es jetzt als Gottes Wille ansieht, dass sie Beschneiderin ist.

Ebenso krass unser Besuch bei Gibrilla (Ann-Maries Bruder), der in einer Schule lehrt. Sibylle hat mich im Nachhinein darauf hingewiesen, dass waehrend dem Appell einer der Lehrer mit Rohrstock dastand, was Victoria mit den Worten erklaerte, dass es vollkommen normal sei, dass Schueler am Tag danach fuer ihre "Vergehen" vor den Leuten, und danach nochmal im Klassenzimmer gepruegelt werden.

Ich muss zugeben, dass mir viele dieser Dinge die Sibylle dann anspricht erst gar nicht so richtig auffallen. Mir scheint irgendwie der Blick dafuer zu fehlen. Deswegen wechselt bei mir im Moment auch so ein bisschen das "Irgendwie ist es nicht so schlimm wie ich es erwartet haette" mit dem "in anderen Themenbereichen aber halt dann doch".
Was naemlich die Armut an sich angeht, wird man zwar ab und zu angebettelt, aber trotzdem scheint zumindest nach aussen hin jeder irgendwas zu tun zu haben, womit er/sie ein bisschen Geld verdienen kann. Und auch die Preise von den meisten Sachen sind irgendwie in einem aehnlichen Verhaeltnis wie bei uns, bloss halt auf viel niedrigerem Niveau. Die Versorgungslage ist auf jeden Fall so, dass jeder der Geld hat sich was zu essen leisten kann. Und richtig unterernaehrte Menschen hab ich bis jetzt nicht gesehen.
Genauso die im Krieg von den Rebellen Verstuemmelten. So wie Beate und Rebekka (die 2 die vor 2 Jahren hier waren) es geschildert hatten kommt es mir bei weitem nicht vor. In den 4 Wochen die wir jetzt hier sind, habe ich vielleicht insgesamt 5 oder 6 gesehen. Was natuerlich auch die Frage aufwirft, wo die alle hin sind...

Was auf jeden Fall auffaellt, ist, dass es in diesem Land wahnsinnig viel zu tun gibt, und es wirklich eigentlich unmoeglich ist, sich um alles gleichzeitig zu kuemmern. Und persoenlich muss ich auch sagen, dass das vorerst wichtigste wohl einfach die geregelte Stromversorgung ist... eine Hauptstadt ohne Strom ist einfach nicht wirklich arbeitsfaehig. Von dem her verstehe ich irgendwie, dass die Regierung sich im Moment um dieses und ein paar andere Themen (wie z.B. Korruption - zumindest angeblich) intensiver kuemmert als um AIDS, FGM oder auch Menschenrechte im Allgemeinen.
Schwierig, schwierig... aber irgendwie muss man halt doch zugeben, dass die Probleme die wir in unserem Land haben einfach Luxus-Probleme sind...

Montag, 22. Oktober 2007

Endlich mal raus aus Freetown

Am letzten Montag (muslimischer Feiertag) hab ich mit einer der GTZ-Praktikantinnen die Schimpansen-Auswilderungs-Station in der Naehe von Freetown besucht. War voll interessant. Und nah daran war noch ein netter Wasserfall, den wir auch gleich "mitgenommen" haben.

Und am Wochenende haben wir die beiden anderen ASAten in Lunsar besucht - weil Vroni Geburtstag hatte, war absolut schoen: Geburtstagsfeier mit ewig vielen Kindern, die alle andauernd spielen wollten ;) Und wir haben auch ein wenig die Gegend um Lunsar erkundet. Bilder folgen demnaechst.

Samstag abend sind wir dann auch mal "richtig" weggegangen. War aeusserst interessant, vor allem dass Kerle auch Kerle antanzen und Frauen Frauen. Fuer die Leute hier anscheinend vollkommen normal, genauso wie auch Kerl mit Kerl Hand-in-Hand auf der Strasse marschiert.

Meinen eigenen Geburtstag haben wir gemuetlich zu viert in einer der Strandbars gefeiert, d.h. Ann-Marie, Victoria, Sibylle und ich.

Anonsten gibts arbeitstechnisch nicht viel neues, wenn alles gut laeuft fahren wir am Wochenende in die Provinzen, und unsere Hauptaufgabe ist wohl immer noch KAWDA Struktur beizubringen. Einen ersten Anlauf haben wir mit einem Formular fuer das Monitoring der Projekte gestartet, aus dem dann die Berichte geschrieben werden sollen, einfach damit die Befragungen einem Standard folgen.
Die letzte Woche dagegen war eher von Warten auf Ann-Marie gepraegt, weswegen wir am Donnerstag vor der Abreise einen Planungs- und Besprechungstag eingelegt hatten, der sogar aeusserst effektiv verlaufen ist. Mal sehen, ob das tatsaechlich einen Effekt auf das Arbeiten in den naechsten Wochen hat.

Ach ja, und letzte Woche bin ich Opfer von Taschendieben geworden. Irgendwie hat man ja schon oft davon gehoert, dass einen einer irgendwie ablenkt und der andere dann die Tasche ausraeumt, aber in dem Moment hab ichs doch irgendwie nicht geschnallt. Der Typ hat mich an den Schultern gepackt und rumgeschuettelt und irgendwie seltsames Zeuch gelabert und ich war halt irgendwie viel zu defensiv.