Mittwoch, 22. Oktober 2008

Das lang versprochene Resumée

Also... irgendwie bin ich lange nicht zum Schreiben gekommen, bzw. hab ich erst meine Erfahrungen verarbeiten müssen, und dann war ich schon mitten in den Prüfungen, wo ich mehr Zeit vor den Büchern und in der Bib verbracht hab, als irgendetwas anderes.
Glücklicherweise isses jetzt rum, ich bin voller Magister Artium, hab die Hälfte von dem was ich gelernt hatte schon wieder vergessen und bin jetzt eigentlich gerade dabei aus meiner Wohnung auszuziehn. Denn schon in 6 Tagen geht es bei mir wieder hinaus in die Große Weite Welt.
Diesmal geht es nach Südost-Asien. Der Plan ist, so mehr oder weniger ohne Plan für 5-6 Monate herumzureisen. Dabei will ich auf jeden Fall nach Thailand, Kambodscha, Laos, Vietnam, Malaysia und Singapur. Wann ich wo hin werde weiß ich noch nicht so genau. Größtenteils will ich einfach nur reisen, aber wenn es mir irgendwo so gut gefallen sollte, dass ich dort bleiben will, kann ich mir auch gut vorstellen, zumindest für eine Zeit als Englisch-Lehrer oder was auch immer zu arbeiten.

Wer also meine kleine persönliche Odysee verfolgen will, kann einfach mal auf bridgetohome.wordpress.com gucken. Ich habe den Wechsel vorgenommen, weil man hier nur Kommentare hinterlassen kann, wenn man einen Google-Account hat, was, wie ich gehört habe, einige Leute davon abgehalten hat, irgendetwas zu schreiben.

Jetzt aber zurück zu Sierra Leone. Ich habe öfter vor meinen Notizen gesessen, und überlegt, was ich schreiben soll. Beziehungsweise, wie ich diese Geschichten in einen Post verpacken soll... irgendwie hängen einfach auch sehr viele Emotionen damit zusammen, die vielleicht noch ein bißchen Zeit brauchen, bis ich einen Weg finde, diese in Worte zu fassen.

Nur soviel noch kurz, das geplante Forum in Kuntoloh hat dann tatsächlich stattgefunden. Und es scheint ein einstweiliger Erfolg gewesen zu sein. Leider scheint im Nachhinein nicht besonders viel geschehen zu sein.
Allerdings ist dies auch einer der Fehler, den ich damals vielleicht gemacht hatte. Mein Fokus war immer zu sehr aufs "Große Ganze", so dass ich viel zu wenig die vielen kleinen Erfolge sehen konnte.
Alleine das Gespräch mit den Leuten von der Model Junction, die meinten dass ich der erste Weiße sei, der sich für sie interessiert, und ich ihnen erzählen konnte, dass es einfach für mich so war, dass egal wo ich war, sich die Leute mit mir unterhalten wollten. Dass die meisten dieser Leute, die an ihnen vorbeifahren, sehr wohl ein Interesse an ihnen haben, aber einfach nicht die Zeit mit jedem einzelnen zu sprechen.
Es waren viele kleinere Erfolge, die ich irgendwie erst zu schätzen gelernt habe, als ich meinen Bericht für ASA verfasst habe, und gemerkt habe, wie viele es dann doch waren.

In der Zwischenzeit habe ich auch zusammen mit Robin - einem ASAten, der in Uganda war - einen Vortrag gehalten, der unsere Erfahrungen verarbeitet hat.
Vielleicht stellen wir irgendwann davon noch ein Video auf youtube.
Einstweilen denke ich aber, dass mein Text über Sierra Leone ein ganz guter Abschluß für diesen Post ist.

Ich kam mitten in der Nacht in Lunghi an, in der Nähe von Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones. Unser Flug hatte einen Zwischenstop in Conakry, Guinea eingelegt. Und während ich mir dort von oben die Lichter der Stadt ansehen konnte, fiel mir bei der Landung in Lunghi auf, dass fast nirgendwo Lichter zu sehen waren. Bei Ankunft wurde ich von vielen Menschen umringt, die alle wollten, dass ich mit ihnen in die Stadt fahre. Die Fähre über den Fluß nach Freetown war auch etwas voller, als sie es bei uns wäre, ebenso wie die Lastwägen, Taxis und Busse. Ich kaufte mir mein erstes Bündel Bananen, das wirklich herrlich schmeckte und freute mich meines Lebens, in Afrika zu sein. Irgendwie war schon alles anders, farbenfroher, wuseliger, spannender. Diese Erfahrung der Andersartigkeit war allerdings nicht nur einseitig. Ständig wurde ich auf der Straße angesprochen, von Leuten, die meine „Freunde“ sein wollten. Kinder umringten mich und nahmen meine Hand, einfach nur um ein paar hundert Meter mit mir mit zu gehen. Ein ungefähr dreijähriges Mädchen, das minutenlang die Haare an meinem Arm gezupft hatte – was für viele Kinder äußerst interessant war – sagte zu seiner Mutter „Mama, den will ich haben“. Ich musste also feststellen, auch ich bin anders für „sie“.

Ich hatte nicht nur mit meinen eigenen Vorurteilen zu kämpfen, sondern begegnete auch immer wieder Vorurteilen von Seiten der Sierra Leoner. Wussten Sie schon, dass wir Europäer alle immer nur in Restaurants essen, alle nicht kochen können, jeder von uns Hausmädchen hat,und dass europäische Frauen ganz besonders leicht zu haben sind? Und auch das Verhalten mancher Sierra Leoner ließ mich oft vermuten, dass sie in mir keinen Menschen, sondern einfach einen wandelnden Geldsack sahen. Dann gab es wieder andere, die mich ansprachen, während ich mir auf dem Markt etwas zu essen kaufte, und mir dafür dankten, dass ich dort sei, ohne jemals zu fragen, was ich eigentlich hier mache. Und es gab Menschen, die tatsächliche Freunde wurden.
Auch das Essen war anders: sehr viel Reis mit verschiedensten Blättersoßen. Vor allem aber war es billiger, und was mich dabei besonders faszinierte, war, dass sich die Preisunterschiede zwischen verschiedenen Waren ungefähr auf dem selben Niveau bewegten wie bei uns, bloß mit dem Unterschied dass Viele an einem Tag nur das Geld für 3 Busfahrten verdienen.

Das alles führte für mich zu einer Frage, die mich während meines Aufenthaltes dort, und auch in der Zeit danach noch beschäftigen sollte: Warum eigentlich ist das Geld hier mehr wert als dort? Ist eine Stunde körperlicher Arbeit nicht dieselbe Leistung, unabhängig davon, wo auf der Welt sie erbracht wird? Ist ein Brötchen hier nicht genauso ein Brötchen dort? Wie kann ich Leuten erklären, dass ich nur ein einfacher Student bin, aber mir trotzdem weitaus mehr leisten kann, als jemand der dort jeden Tag zwölf Stunden schuftet, obwohl ich in Europa bei weitem nicht zu den Reichsten gezählt werden würde? Sind wir wirklich so anders, dass unserer Hände Arbeit nicht das gleiche wert ist? Und das alles führte zu weiteren Fragen: Wie würde ich mich verhalten, wenn die Situation für mich so ähnlich wäre, wenn ich jeden Tag sehen müsste, wie ich meine Familie über die Runden bringe? Würde ich nicht auch jede Möglichkeit nutzen, mein Leben zu verbessern? Ich erinnerte mich an die Geschichten meines Vaters: Wie er als Kind der Nachkriegszeit bei den Amerikanern Zigaretten abzustauben versucht hatte – die dann meine Großmutter auf dem Schwarzmarkt eintauschen konnte. Ich stellte fest, dass die ganzen Unterschiede, die ich gesehen hatte nur an der Oberfläche kratzen. Es waren Menschen wie ich, mit denen ich dort zu tun hatte, mit denselben Bedürfnissen und Sorgen wie ich. Menschen, die davon träumen, sich mit ihrer Hände Arbeit ein sorgenfreies Leben schaffen zu können. Die verlangen, dass man ihnen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet. Die genauso gerne feiern und für ein Schwätzchen auf der Straße stehen bleiben. Und die sich genauso um ihre Kinder und ihre Familie sorgen, wenn diese krank sind, wie es Eltern hier tun. Die Unterschiede, die ich zwischen ihnen und mir gesehen hatte, lagen hauptsächlich im Einkommen und in den persönlichen Freiheiten und Möglichkeiten. Nicht selten fand ich mich in Erklärungsnöten. Wenn man mich heute fragt, wie ich meine Zeit dort fand, dann sage ich meistens „anstrengend“, und das bezieht sich bei weitem nicht nur auf das Wetter.


Ich möchte zum Schluß einfach nochmal kurz jedem danken, der meine Posts tatsächlich gelesen hat. Und vor allem denen, die sogar diesen hier noch lesen :P
Würde mich freuen nochmal was von euch zu hören. Ihr könnt ja vielleicht im neuen Blog einen kurzen Kommentar hinterlassen ;)